zur Schönwalder Schleuse…

An einem sonnigen Frühjahrsmorgen machten sich mein „kleines, grünes Fahrrad“ und ich auf den Weg, um nach Schönwalde zu fahren. Ich hatte nämlich erfahren, dass es dort eine Kanalschleuse gibt und wollte mir diese unbedingt einmal ansehen. 

Von den politischen Umbrüchen der Jahre 1989/90 hat wohl niemand so sehr profitiert wie die Umlandgemeinden von Berlin. Je näher an der Stadtgrenze, desto mehr haben sich scheinbar diese Orte entwickelt, deren Gesamtheit man heute auch als sog. „Speckgürtel“ bezeichnet. Bei den in den 90er Jahren vorgenommenen Gebietsreformen zur Wiederherstellung der mitteldeutschen Bundesländer gab es denn in Brandenburg auch massive Neidkampagnen und mancher Landkreis wurde in der Folge extra so geschnitten, dass er auch ja ein paar Gemeinden in der Nähe Berlins abbekam.

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Wappen von Schönwalde-Glien

Um diese nun wieder „gute Lage“ zu untermauern, braucht man sich nur einmal die Einwohnerentwicklung von Gemeinden wie Falkensee oder eben Schönwalde anzuschauen. Während etwa die Einwohnerzahl Schönwaldes von 1946 bis 1989 langsam aber sicher immer mehr abnahm (von ca. 7300 auf 5500), stieg sie seitdem wieder signifikant an (letzte Statistik von 2012: 9021 Einwohner). Die unvorteilhafte Grenz- bzw. Mauernähe während der deutschen Teilung verursachte das Erstere, das Letztere ist der nun wieder guten Lage in unmittelbarer Stadtnähe geschuldet. So ist es auch nicht ganz verwunderlich, dass man beim Durchradeln von Schönwalde schnell einige Neubauten entdeckt bzw. sogar Baustellen neuer Ein- oder Zweifamilienhäuser. Auch die Versorgungsinfrastruktur scheint sich über die Jahre hinweg massiv verbessert zu haben. Einige Lebensmittelmärkte, Post-Packstationen, Friseure, Gastronomiebetriebe etc. fallen dem Durchradler ins Auge, ohne sie auch nur gesucht zu haben. Wohnen in Schönwalde ist also eine angenehme Sache geworden.
So ist man zwar als Bewohner solcher Gemeinden schon ein wenig „im Grünen“, aber mit dem Pkw doch schnell wieder „mittendrin“ in Berlin, was sicher auch so manch einem Alt- und Neuberliner einen Umzug versüßt haben wird. Die Verkehrsanbindung nach Berlin-Spandau ist jedenfalls auch wieder gegeben. Eine Buslinie führt direkt vom Ortsteil „Paaren im Glien“ durch „Schönwalde-Siedlung“ zum Spandauer Bahnhof. Die bereits von mir im Artikel über den Spandauer Forst erwähnte „Schönwalder Allee“ ist nun also wieder Zubringer zum gleichnamigen Ort. Nomen est Omen.

Eine Gemeindereform des Landkreises Havelland im Jahre 2003 hat übrigens dafür gesorgt, dass die Gemeinde „Schönwalde – Glien“, wie sie jetzt heißt, aus nunmehr sieben Ortsteilen besteht. Möchten Sie, dass ich Sie ihnen aufzähle ? Na gut, aber nur einmal: Schönwalde-Siedlung, Schönwalde-Dorf, Pausin, Grünefeld, Paaren im Glien, Perwenitz und Wansdorf. Alle Ortsteile haben auch noch ihre eigenen Wappen. Das gemeinsame Rathaus liegt im Ortsteil Schönwalde-Siedlung, der gleichzeitig auch der „jüngste“ Ortsteil ist und der Stadtgrenze zu Berlin am nächsten liegt. Sympathisch ist, dass in diesem Rathaus auch ein Café und diverse Geschäfte untergebracht sind. So wird deutlich, dass eine kleine Gemeinde eben keine übermäßig pompöse Verwaltung benötigt, sondern sich ihr Gebäude mit „profanen“ Alltagsläden teilen kann. Ich finde diesen Gedanken sehr angenehm.

IMG_3981_compressedDurch den Spandauer Forst radelt man also gemütlich in Richtung Stadtgrenze. Über die ehemalige „Steinerne Brücke“ gelangt man nach Schönwalde. Aber schon auf dem Weg dahin, passiert man eine Kunstinstallation, welche auf die Opfer des Grenzregimes von 1961-89 hinweist. Zwei umgestürzte Betonplatten aus den Absperrungen der „Berliner Mauer“ tragen eine Plakette mit der Aufschrift „den Opfern“. Eine Schautafel direkt neben der Installation erklärt ein wenig die Geschichte der deutschen Teilung. Leider ist diese Tafel witterungsbedingt schon sehr ausgeblichen. Eine Neubestückung mit Text-Blättern und deren wetterfeste Versiegelung wäre deshalb sicher kein Fehler. An dieser Stelle direkt am Ortseingang finden wir auch die Gedenkstele für den von Grenztruppen der DDR im Februar 1977 zwischen Hennigsdorf und Schönwalde getöteten Dietmar Schwietzer. Ähnliche Info-Stelen zum Innehalten finden sich übrigens auch entlang des gesamten „Berliner-Mauerradweges“.

Aber in Schönwalde finden wir auch den bekannten „Schwanenkrug“. Ein Ausflugslokal, das sich bereits im 19. Jahrhundert großer Beliebtheit bei Berliner „Sommerfrischlern“ erfreute. Es befindet sich an der Stelle einer Postkutschenstation aus dem späten 18. Jahrhundert, die auf der Strecke von Berlin ins Ruppiner Land und darüber hinaus nach Hamburg lag. Auch heute noch besuchen Berliner und Brandenburger den „Schwanenkrug“ gerne nach einer Fahrrad- oder sonstigen Ausflugstour durch das nördliche Havelland. Die hübsche, auf Vordermann gebrachte Fachwerkstruktur des Gebäudes ist auch bereits an sich ein kleiner Blickfang.
Das „Strandbad“ in Schönwalde, die Badestelle zu einem kleinen Binnensee im Ort, habe ich an diesem Tag übrigens nicht besucht, aber ich erinnere mich an einen Ausflug mit Arbeitskollegen vor ein paar Jahren dorthin. Eine lustige Imbissbude, die von zwei sehr netten Inhabern betrieben wurde und das gegenüber direkt am See gelegene Restaurant namens „Strandbad“ luden damals und laden auch heute noch Besucher und Schönwalder ein. Vielleicht eine Option bei einer kommenden Exkursion…

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Mein kleines, grünes Fahrrad am Havelkanal bei Schönwalde.

Mein Ziel an diesem Tag war aber die Havelkanalschleuse bei Schönwalde, so dass ich auf das Strandbad verzichtet habe. Schiffahrtskanäle für den kommerziellen Warentransport zu Wasser durchkreuzen schon seit „Kaisers Zeiten“ die Landschaften Brandenburgs. Manche davon gehören zu den „Reichswasserstraßen“, die 1921 in den Besitz der Weimarer Republik übergingen. Der Havelkanal gehört als heutige „Bundeswasserstraße“ nun auch dazu, obwohl er deutlich jünger ist, als etwa der „Oder-Havel-Kanal“ o. ä. „Wasserstraßen“.
Der Havelkanal ist ein gut 34 km langer Binnenkanal im Land Brandenburg. Zwischen Nieder-Neuendorf und Hennigsdorf zweigt er von der Oberhavel ab und trifft die Unterhavel dann wieder in der Nähe von Paretz. Paretz ist ja vor allem als Sommerfrische des preussischen Königspaares Friedrich-Wilhelm III. und Luise bekannt. Dort sollen sie ihre schönsten gemeinsamen Zeiten verbracht haben. Aber zurück aus der preussischen Geschichte, hin zum Havelkanal: auch dieser ist wieder ein Bauwerk mit Historie. Er wurde in der Rekordzeit von nur 13 Monaten vom Mai 1951 bis Juni 1952 errichtet und hieß damals noch, ganz dem Zeitgeist entsprechend, „Kanal des Friedens“. Er sollte vor allem eine Funktion erfüllen: der Binnenschiffsverkehr auf der Havel sollte um „Westberlin“ herumgeführt werden. Aber auch die Entwässerung angrenzender, landwirtschaftlicher Flächen war durchaus beabsichtigt. Eine minimale Verkürzung der Distanz zwischen Oberhavel und Elbe war ein angenehmer Nebeneffekt, den die geradlinige Streckenführung ebenfalls nach sich zog.

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Schleusenwärterhaus und Schleusenkammer.

Entlang des gesamten Havelkanals gibt es jedoch nur eine einzige Schleuse. Es waren wohl mehrere, weitere Hebewerke geplant, die sich aus technischen Gründen jedoch nicht realisieren ließen und wohl auch nicht recht sinnvoll gewesen wären. Die Havelkanalschleuse bei Schönwalde liegt am „Kilometer 8,75“ und überwindet einen Höhenunterschied von ca. 2,25 m. Im Vergleich dazu: die Spandauer Schleuse zwischen „Kolk“ und „Zitadelle“ muss nur ca. 1.5 m Höhenunterschied ausgleichen. Die Schönwalder Schleusenkammer hat eine nutzbare Länge von 85 m und eine Breite von 12 m. Ehrlich gesagt, kommt es dem Besucher gar nicht so üppig vor, was wiederum viel über die den Blick entspannende Landschaft um den Kanal herum aussagt. Ein Schleusenwärter-Wohnhaus wurde übrigens gleich beim Bau des Havelkanals miterrichtet. So ist auch die Durchgangsstraße von Schönwalde-Siedlung nach Wansdorf, die über die Schleusenbrücke führt, mit dem Pkw befahrbar, damit der Schleusenwärter auch wohlbehalten nach Hause kommen kann.

In unmittelbarer Nähe zur Schleusenbrücke kann man übrigens auch in einem etwas baufälligen Holzunterstand ein Picknick „im Grünen“ abhalten und begegnet dabei vielleicht dem „Postauto“ zur Schleusenwärter-Wohnung oder einer fröhlich vor sich hinbrummelnden Hummel. Eine schöne Pause jedenfalls, bevor man wieder zurückfährt. Mir als Allergiker machte dann leider der massive Pollenflug auf dem Rückweg ein wenig die Atmung schwierig und die sich anschließenden Kopfschmerzen taten das Ihrige dazu. Dennoch haben klarer Sonnenschein, angenehme Temperaturen bis zu 22 °C und ein zusätzlich kühlender Wind diesen Radelausflug angenehm gemacht. Die vor allem im Bereich des Spandauer Forstes extrem antiquierten Fahrradwege sind hingegen ein eher bedingtes Vergnügen. In Schönwalde war das Fahren mit dem Radel zumeist aber sehr angenehm, was einen weiteren Besuch in diesem Jahr möglich macht, sollten sowohl das „kleine, grüne Fahrrad“ als auch meine Beine das mitmachen. Nur müsste zuvor mein „Tacho“ wieder mit frischen Batterien versehen werden, da sie mich genau bei der Fahrt zur Schönwalder Schleuse im Stich ließen. So kann ich leider keine Streckenangabe machen, aber Zahlen sagen ohnehin wenig über den Spaß am Erkunden des „Speckgürtels“ aus.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, liebe Leser, wieder ein angenehmes Frühjahr und viele, schöne Eindrücke aus Berlin und Brandenburg.

Ihr

Clemens Kurz

 

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